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begriffe:tatsache

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 |**1929**|Malottki, Johannes von: Das Problem des Gegebenen. Berlin, 1929: \\ "Von diesem Standpunkt aus läßt sich zunächst auch die Unklarheit beseitigen, die Rickert mit der Identität des Gegebenen und des Tatsächlichen hervorgerufen hatte. Gegebenes und Tatsächliches sind wohl insofern als zusammengehörig anzusehen, als beide Begriffe eine Bedeutung überhaupt nur im Bereich der Denkimmanenz haben. Aber innerhalb dieser Sphäre müssen sie nach der Ansicht des logischen Monismus durchaus getrennt werden. Beide Begriffe bezeichnen nämlich gleichsam den Anfangs- und Endpunkt des Denkprozesses, der Gegenstandsbestimmung. Im Begriff des Gegebenen wird die Aufgabe der Bestimmungsnotwendigkeit fixiert, im Begriff der Tatsache denken wir den abgeschlossenen Prozeß, das Ergebnis der Bestimmung. Nun ist der Prozeß der Bestimmung der Tatsache ein unendlicher, d. h. wir befinden uns immer nur im Stadium der Aufgabe, nicht im Bereich der Tatsache: gegeben ist uns nicht die Tatsache, sondern allein die Aufgabe. Das Gegebene ist das Aufgegebene. Sieht man dagegen im Gegebenen, d. h. in dem Aufgegebenen, noch immer zu Bestimmenden, die "fertige" Tatsache, dann identifiziert man Anfangs- und Endpunkt des Prozesses, also verschiedene Begriffe. Rickert brachte, so kann man hier argumentieren, die Tatsächlichkeit in die Gegebenheit hinein; er setzte das, was allein in unendlicher Annäherung der Bestimmung erfaßt werden kann, an den Anfang des Denkprozesses und machte gleichsam zur Vorstufe, was allein letztes Ziel ist. Deshalb kam er mit der "Form der Gegebenheit" nicht aus; er konnte damit die volle Tatsächlichkeit nicht erfassen. So schlich sich bei ihm zuletzt doch noch ein Irrationales, Bewußtseinsfremdes ein, während es sich im Grunde nur darum handelte, die gegebene, d. h. aufgegebene Tatsache im Fortgang der Denkgesetzlichkeit ins Unendliche zu 'konstatieren'." Vgl.[[http://www.gleichsatz.de/b-u-t/begin/malo4.html|Volltext online.]]| |**1929**|Malottki, Johannes von: Das Problem des Gegebenen. Berlin, 1929: \\ "Von diesem Standpunkt aus läßt sich zunächst auch die Unklarheit beseitigen, die Rickert mit der Identität des Gegebenen und des Tatsächlichen hervorgerufen hatte. Gegebenes und Tatsächliches sind wohl insofern als zusammengehörig anzusehen, als beide Begriffe eine Bedeutung überhaupt nur im Bereich der Denkimmanenz haben. Aber innerhalb dieser Sphäre müssen sie nach der Ansicht des logischen Monismus durchaus getrennt werden. Beide Begriffe bezeichnen nämlich gleichsam den Anfangs- und Endpunkt des Denkprozesses, der Gegenstandsbestimmung. Im Begriff des Gegebenen wird die Aufgabe der Bestimmungsnotwendigkeit fixiert, im Begriff der Tatsache denken wir den abgeschlossenen Prozeß, das Ergebnis der Bestimmung. Nun ist der Prozeß der Bestimmung der Tatsache ein unendlicher, d. h. wir befinden uns immer nur im Stadium der Aufgabe, nicht im Bereich der Tatsache: gegeben ist uns nicht die Tatsache, sondern allein die Aufgabe. Das Gegebene ist das Aufgegebene. Sieht man dagegen im Gegebenen, d. h. in dem Aufgegebenen, noch immer zu Bestimmenden, die "fertige" Tatsache, dann identifiziert man Anfangs- und Endpunkt des Prozesses, also verschiedene Begriffe. Rickert brachte, so kann man hier argumentieren, die Tatsächlichkeit in die Gegebenheit hinein; er setzte das, was allein in unendlicher Annäherung der Bestimmung erfaßt werden kann, an den Anfang des Denkprozesses und machte gleichsam zur Vorstufe, was allein letztes Ziel ist. Deshalb kam er mit der "Form der Gegebenheit" nicht aus; er konnte damit die volle Tatsächlichkeit nicht erfassen. So schlich sich bei ihm zuletzt doch noch ein Irrationales, Bewußtseinsfremdes ein, während es sich im Grunde nur darum handelte, die gegebene, d. h. aufgegebene Tatsache im Fortgang der Denkgesetzlichkeit ins Unendliche zu 'konstatieren'." Vgl.[[http://www.gleichsatz.de/b-u-t/begin/malo4.html|Volltext online.]]|
 |**1935**|Fleck, Ludwik: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache: Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Frankfurt am Main, 1980. (Siehe auch: Ders.: Erfahrung und Tatsache: Gesammelte Aufsätze. Frankfurt am Main, 1983.)| |**1935**|Fleck, Ludwik: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache: Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Frankfurt am Main, 1980. (Siehe auch: Ders.: Erfahrung und Tatsache: Gesammelte Aufsätze. Frankfurt am Main, 1983.)|
-|**1945**|Popper, Karl: The open society and its enemies. Bd. II: The High Tide of Porophecy: Hegel, Marx and the Aftermath. London, 1945. (dt.: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde II/ Studienausgabe: Falsche Propheten Hegel, Marx und die Folgen. Tübingen, 2003.) [[redaktion:tatsache|Auszug dtStudienausgabeS348.]]|+|**1945**|Popper, Karl: The open society and its enemies. Bd. II: The High Tide of Porophecy: Hegel, Marx and the Aftermath. London, 1945. (dt.: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde II/ Studienausgabe: Falsche Propheten Hegel, Marx und die Folgen. Tübingen, 2003, S348\\ "Es besteht also eine entscheidende Asymmetrie zwischen Maßstäben und Tatsachen: Mit der Entscheidung, einen Vorschlag (zumindest probeweise) zu akzeptieren, schaffen wir den dazugehörigen Maßstab (zumindest probeweise); durch die Entscheidung, eine Aussage zu akzeptieren, schaffen wir hingegen //nicht// die dazugehörige Tatsache\\ Eine andere Asymmetrie liegt darin, daß Maßstäbe immer Tatsachen //betreffen// und daß Tatsachen von Maßstäben //bewertet werden//das sind Beziehungen, die nicht einfach umgehekrt werden können. \\ Jedesmal wenn wir mit einer Tatsache konfrontiert sind - und besonders mit einer Tatsache, die wir ändern können -, können wir fragen, ob sie mit gewissen Maßstäben vereinbar ist oder nicht. [...]"|
 |**1956**|Strauss, Leo: Naturrecht und Geschichte. Stuttgart, 1956. Darin v.a. Kap. II: "Naturrecht und die Unterscheidung zwischen Tatsachen und Werten." (Unter verändertem Titel: "Die Unterscheidung zwischen Tatsachen und Werten" erneut abgedruckt in: Hans Albert und Ernst Topitsch (Hg.): Werturteilsstreit. 2. erw. Aufl. Darmstadt. S. 73-91.)| |**1956**|Strauss, Leo: Naturrecht und Geschichte. Stuttgart, 1956. Darin v.a. Kap. II: "Naturrecht und die Unterscheidung zwischen Tatsachen und Werten." (Unter verändertem Titel: "Die Unterscheidung zwischen Tatsachen und Werten" erneut abgedruckt in: Hans Albert und Ernst Topitsch (Hg.): Werturteilsstreit. 2. erw. Aufl. Darmstadt. S. 73-91.)|
-|**1990**|Luhmann, Niklas: Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt a.M., 1990. [[redaktion:tatsache|Auszug S. 288f.]]+|**1990**|Luhmann, Niklas: Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt a.M., 1990S. 288f:\\ "[...] Diese Einsicht wird, wenngleich nur punktuell, registriert im Begriff der Tatsache (fact). Was für Ludwig Fleck zu den Zeiten des logischen Positivsmus noch eine Entdeckung war, wird heute allgemein akzeptiert. "Facts may be microtheories no longer controversial within the scientific community". In einer etwas elaborierten Begriffssprache könnte man daher auch sagen, daß Tatsachen die Außenwelt, gesehen von innen repräsentieren; daß sie die Ergebnisse der Irritationen des Systems fixieren, die auf Grund einer strukturellen Koppelung des Systems mit seiner Umwelt anfallen; oder auch: daß der Begriff Tatsache die strukturelle Kopplung des Wissenschaftssystems mit seiner Umwelt im System repräsentiert, so daß das System mit Hilfe dieses Begriffs für Zwecke interner Kommunikation davon ausgehen kann, daß es sich nach den Gegebenheiten seiner Umwelt richte, und dabei vergessen kann, daß dies nur dank der selbstreferentiellen Geschlossenheit des Netzwerkes der eigenen Operationen möglich ist. Und es kann dies vergessen, weil es ohnehin nicht zu ändern ist." 
-|**1996**|Patzig, Günther: Theoretische Philosophie. In Gesammelte Schriften Bd. 4. Göttingen, 1996. (Darin: Kap. 1: Satz und Tatsache; Kap. 2: Das Problem der Objektivität und der Tatsachenbegriff). [[redaktion:tatsache|Auszug S. 23f.]]|+|**1996**|Patzig, Günther: Theoretische Philosophie. In Gesammelte Schriften Bd. 4. Göttingen, 1996. (Darin: Kap. 1: Satz und Tatsache; Kap. 2: Das Problem der Objektivität und der Tatsachenbegriff)S. 23f: \\ "[...] verschiedene Bilder von demselben Gegenstand haben //eo ipso// dasselbe Sujet. Hingegen stellen zwei verschiedene Sätze, die sich auf ein und dasselbe Ereignis beziehen, nicht dieselbe Tatsache dar. Zwei verschiedene Bilder können wenigstens der Möglichkeit nach genau dasselbe Sujet haben (etwa zwei Portraits verschiedener Künstler von einer Person), aber es ist ausgeschlossen, daß zwei wesentlich verschiedene Sätze //dieselbe Tatsache darstellen//. Hingegen können sich verschiedene Sätze z.B. //auf dasselbe Ereignis beziehen// oder einen Gegenstand beschreiben. Tatsächlich sind Ereignisse und Gegenstände, soweit sie von Sätzen dargestellt werden, viel eher als Analogie zum "Sujet" des Kunstwerkes aufzufassen als gerade die Tatsache. Die Tatsache ist nämlich an die //Art der Darstellung// so eng geknüpft, daß zwischen Vorgang und Ereignis einerseits und andererseits der Tatsache, die durch einen bestimmten Satz ausgedrückt wird, eine Dimension möglicher Verschiedenheit geöffnet bleibt, die bei den zum Vergleich herangezogenen Verhältnissen nicht besteht. "Tatsache" ist also nicht ein allgemeiner Ausdruck für Ereignisse, Vorgäng, Stimmungen, Bauformen usw. insofern diese von wahren Sätzen dargestellt werden. Jedenfalls nicht in dem Sinne wie "Ziel" ein allgemeiner Ausdruck für Bahnknotenpunkte, Flugzeuge, jagbare Tiere usw. ist, insofern jemand auf sie schießt oder schießen könnte, oder wie "Sujet" ein allgemeiner Ausdruck für Landschaften, Personen, Ereignisse und Szenen ist, insofern sie Gegenstand künstlerischer darstellung sind. der Begriff der "Tatsache" fällt deutlich aus dieser Gruppe heraus, weil Tatsachen von der Art der Darstellung im Satz abhängig sind. Eine Tatsache ist nicht ein Ereignis, //insofern// es in einem Satz dargestellt wird, sondern //so wie es// in diesem Satz dargestellt wird. [...]"|
 |**2000**|Latour, Bruno: Kap. Überraschungsmomente des Handelns. Fakten, Fetische und Faitiches, in: Die Hoffnung der Pandora. Untersuchungen zur Wirklichkeit der Wissenschaft, Frankfurt a.M. 2000 S. 327-359. \\ Latour führt den Neologismus 'Faitiche', eine Verbindung von 'fait' (franz. Fakt, Tatsache) und 'fétiche' (Fetisch) ein, und definiert ihn folgendermaßen: "mit der Anklage des Fetischismus wird unterstellt, dass Glaubensvorstellungen und Wünsche von Gläubigen auf ein bedeutungsloses Objekt projiziert werden. Faitiches sind dagegen Handlungstypen, die sich nicht in die erzwungene Alternative zwischen Fakt und Glauben hineinpressen lassen. Der Neologismus Faitiche stellt klar, dass beiden ein Element der Fabrikation ist." S. 374.| |**2000**|Latour, Bruno: Kap. Überraschungsmomente des Handelns. Fakten, Fetische und Faitiches, in: Die Hoffnung der Pandora. Untersuchungen zur Wirklichkeit der Wissenschaft, Frankfurt a.M. 2000 S. 327-359. \\ Latour führt den Neologismus 'Faitiche', eine Verbindung von 'fait' (franz. Fakt, Tatsache) und 'fétiche' (Fetisch) ein, und definiert ihn folgendermaßen: "mit der Anklage des Fetischismus wird unterstellt, dass Glaubensvorstellungen und Wünsche von Gläubigen auf ein bedeutungsloses Objekt projiziert werden. Faitiches sind dagegen Handlungstypen, die sich nicht in die erzwungene Alternative zwischen Fakt und Glauben hineinpressen lassen. Der Neologismus Faitiche stellt klar, dass beiden ein Element der Fabrikation ist." S. 374.|
 ==== B. Sekundärmaterial ==== ==== B. Sekundärmaterial ====
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   * Schauplätze des Wissens. Konstitutionsbedingungen 'wissenschaftlicher' Tatsachen in der Frühen Neuzeit. Workshop vom 24. Oktober 2007. [[http://www.sfb-frueheneuzeit.uni-muenchen.de/archiv/2007/b1okt07.html|Tagungsprogramm]]   * Schauplätze des Wissens. Konstitutionsbedingungen 'wissenschaftlicher' Tatsachen in der Frühen Neuzeit. Workshop vom 24. Oktober 2007. [[http://www.sfb-frueheneuzeit.uni-muenchen.de/archiv/2007/b1okt07.html|Tagungsprogramm]]
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 +  * Speich, Daniel: Mountains Made in Switzerland: Facts and Concerns in Nineteenth-Century Cartography. In: Science in Context, 22/3 (2009), S. 387-408.
  
   * Weisse, Frieder: Kognitive Patternanalyse. Der Tatsachenbegriff der Kognitiven Anthropologie, Untersuchung seiner wissenschaftsgeschichtlichen Grundlagen und Entwurf eines Modells der kognitiven Patternanalyse. Berlin, 1984.    * Weisse, Frieder: Kognitive Patternanalyse. Der Tatsachenbegriff der Kognitiven Anthropologie, Untersuchung seiner wissenschaftsgeschichtlichen Grundlagen und Entwurf eines Modells der kognitiven Patternanalyse. Berlin, 1984. 
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 [[redaktion:tatsache|Redaktionsseite]] [[redaktion:tatsache|Redaktionsseite]]
  
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