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Konzept des Wörterbuchs


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Wie funktioniert das Wiki-Prinzip?

Um wissenschaftliche Standards zu wahren, verwendet das Forum Begriffsgeschichte ein eingeschränktes Wiki-Prinzip. Jeder interessierte Benutzer kann sich mittels Namen und Passwort anmelden. Die Anmeldung kann mit Angabe von Klarnamen, Institution etc. erfolgen. Jeder aktive Benutzer kann auf Wunsch im Namensraum ‚Verfasser’ eine Seite mit biobibliographischen Kurzinformationen angelegt bekommen. Nach der Registrierung kann der Benutzer bereits vorhandene Wörterbuch-Artikel lesen und im Diskussionsteil kritisieren, ergänzen etc.. Durch dieses Prinzip soll ein ‚work in progress’ initiiert werden. Diskussionsäußerungen sollten mit Signatur autorisiert werden. Dem jeweiligen Artikelautor bzw. Teilautor obliegt es, die in der Diskussion geäußerten Ansichten entweder dort zu diskutieren oder in den Artikel aufzunehmen. Die Artikelautoren sind angehalten, aus dem Diskussionsteil gewonnenes Material / Thesen innerhalb der Artikel auszuweisen. Direkten Schreibzugang zu den einzelnen Artikeln haben nur die betreffenden Autoren bzw. Teilautoren sowie die Redaktion. Das Wiki-Prinzip und seine Einschränkung spiegeln Spannung im Konzept: Die Einschränkung des Wiki-Prinzips gründet in der kulturwissenschaftlichen Einsicht, dass Begriffsgeschichten nicht positivistisch oder kumulativ historischer Befunde aneinanderreihen sollen, sondern Konstruktions- und Narrationsweisen unterworfen sind, die den Artikel strukturieren.

Wer soll das Wörterbuch nutzen?

Das Wörterbuch dient dem interdisziplinären Diskurs. Es geht von der Beobachtung aus, dass im fachübergreifenden Gespräch nicht selten Probleme durch den unterschiedlichen Begriffsgebrauch auftreten. Das Wörterbuch will nicht nur solche Unterschiede in der Begriffsverwendung kennzeichnen, sondern mit der Darstellung ihrer Genese zugleich Zusammenhänge aufzeigen. Da die Geschichte der eigenen Episteme und Fachbegriffe heute in das naturwissenschaftliche Wissen zumeist nicht einbezogen wird, erschließt das Wörterbuch dieser Seite ein Wissen über interdisziplinäre Kontexte, Vorgeschichte und Genese ihrer Terminologie, während es den Geisteswissenschaften die Verbindung ihrer Begriffe zu natur- und technikwissenschaftlichen Bereichen zugänglich macht.

Sicher kann eine interdisziplinäre Begriffsgeschichte keine systematischen Probleme lösen. Sie kann jedoch dazu beitragen, Missverständnisse im Austausch zwischen den sogenannten zwei Kulturen aufzuklären und ‚Sprachschwierigkeiten’ zu überwinden, Probleme zu präzisieren, indem sie Unterschiede in der Begriffsverwendung bewusst macht und mögliche Verbindungen in der Genese von Konzepten darstellt.

Was sind interdisziplinäre Begriffe?

Natürlich gibt es keine genuin interdisziplinären Begriffe. Gemeint sind vielmehr solche Begriffe, die in mehreren Disziplinen in unterschiedlicher Bedeutung verwendet werden und denen dort eine zentrale Funktion zukommt, die sich einzelwissenschaftlich nicht dingfest machen lässt. Sie stiften disziplinenübergreifende Sprachzusammenhänge, entziehen sich oft einer erschöpfenden Definition, haben konstitutiv einen Überschuss von Bedeutungen und sind gerade deshalb ebenso umstritten wie – für die Generierung neuen Wissens – produktiv. Solche Begriffe entstehen oft durch Übertragungen (Metaphorisierungen) zwischen einzelnen Disziplinen, was im Verlauf der Konventionalisierung der Fachsprache in Vergessenheit gerät. Der Träger solcher Übertragungen ist meist (aber nicht immer) das Begriffswort. Unter einem interdisziplinären Begriff wäre also streng genommen ein Begriffswort zu verstehen, das in mehreren Disziplinen mit abweichenden Bedeutungen zirkuliert. Dem geplanten Wörterbuch kommt die Aufgabe zu, am Leitfaden des Begriffsworts den Bedeutungswandel in der Wissenschaftsgeschichte zu rekonstruieren, die verschiedenen Bedeutungs-Übertragungen und -Ausdifferenzierungen zwischen und innerhalb von Disziplinen zu verfolgen, die Ermöglichungsbedingungen und Motive für diese Übertragungen herauszuarbeiten, deren Funktion und Erfolg, darzustellen.

Das Wörterbuch ist deskriptiv und historisch, nicht normativ und auf Zukunft hin ausgerichtet.

Welche Lemmata behandelt das Wörterbuch?

Die Zahl der Lemmata der zu behandelnden Begriffe oder Schlüsselwörter (keywords) kann nur nach ihrer Relevanz aufgestellt und begrenzt werden. Es sollen keine Spezialtermini der Fächer, sondern insbesondere Begriffswörter aufgenommen werden, die in mehreren Disziplinen und insbesondere über die Grenze von Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften hinweg von zentraler Bedeutung sind, dort historisch eine unterschiedliche Bedeutung gewonnen haben und im interdisziplinären Dialog umstritten sind. Nationalsprachliche Differenzen werden behandelt, insofern sie begriffliche Unschärfen erzeugen. Es geht vor allem um solche Begriffe,

  1. die disziplinenüberschreitend sind (Information) bzw. als universalistische quer zu den bestehenden Disziplinen stehen, die also aus prädisziplinärer Zeit stammen und in den wissenschaftlichen und kulturellen Ausdifferenzierungsprozessen unterschiedliche Bedeutungen angenommen haben (z.B. Erbe, Generation, Projektion, Raum, Wahrscheinlichkeit, Wille),
  2. die epistemisch eine katalytische Funktion für ganze Wissensgebiete haben, die in einem Wanderungs- oder Diffusionsprozess über disziplinäre und kulturelle Schranken hinweg gewirkt und zugleich differente Bedeutungen angenommen haben (z.B. Entropie, Code, Information, Enzym, Gen,) ,
  3. die als (absolute) Metaphern Hintergrundsbedingungen bzw. Grenzen des Wissens markieren (z.B. Baum der Erkenntnis/Stammbaum, Blinder Fleck, Buch der Natur) oder - aus einer Disziplin stammend - mit oftmals veränderter Semantik in das kulturelle Bewusstsein getreten sind (z.B. digital, Echtzeit, Katalyse.)

Was ändert sich mit dem interdisziplinären Ansatz methodisch?

Mit der kulturwissenschaftlichen Perspektive erweitert sich die Gegenstandsebene von Begriffsgeschichte: von der Wissenschaft zum Wissen, von der Theorie zu Praktiken und Techniken, von der Schrift zu außersprachlichen Medien (z.B. Archive der Ikonologie), von den ‚absoluten Metaphern’ (Hans Blumenberg) zum metaphorologischen Denken und dessen gegenständlichen Referenzen. Eine zugleich auf den Prozess der Generierung von Formen des Wissens statt allein auf Wissenschaft(en) zielende Begriffsgeschichte überbrückt auch die Dichotomie zwischen der bislang allein auf die politisch-soziale Sprache bezogenen Thematisierung der Alltagswelt und einer nach dem Vorbild des Ritter-Wörterbuchs praktizierten Terminologiegeschichte, deren Tendenz zur 'Gipfelwanderung' anhand kanonisierter Denker vielfach kritisiert worden ist; zumal sich in modernen Gesellschaften Definitionsmacht nicht nur über den explizit politisch-sozialen Sprachgebrauch, sondern wesentlich auch über diskursive Praktiken des Wissens etabliert. Dabei können – im Anschluss an Ludwik Fleck – unterschiedliche Ebenen der Wissensrepräsentation und semantischer Verschiebungen beim Transfer zwischen hochgradig formalisierten Wissenschaftssprachen und deren Popularisierungen (von Lehrbüchern bis zum Wissenschaftsfeuilleton) unterschieden werden. Die Vermittlung von Wissenschaft an die Öffentlichkeit ist ein herausragender Bereich der Produktion interdiskursiver, metaphorischer Bedeutungen. Zwar wird die Differenz zwischen Begriffsgeschichte und Diskursgeschichte nicht einzuebnen sein, doch können mit der kulturwissenschaftlichen und wissensgeschichtlichen Perspektivierung der Begriffsgeschichte solche Dichotomien in Frage gestellt und Übergänge fokussiert werden. Anders als in den traditionellen Lexika ist die Verlaufsform von Begriffsgeschichten zu akzentuieren: Das betrifft das für die Wissenschaftsgeschichte wichtige Problem der Brüche, der Diskontinuitäten, der Sprengung traditioneller Epistemologien, also die Überwindung des 'Axioms der Kontinuitisten' (Georges Canguilhem), aber auch die in Begriffsgeschichten oft ausgeblendete Dimension der Verbreitung von Wissen. Eine kulturwissenschaftliche Epistemologie richtet ihren Blick gerade auch auf Szenen des ‚Entspringens’ (Benjamin) bzw. auf den 'Sprung auf die Bühne des Wissens' (Foucault), die in wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive besonders für die Formierung neuer (Teil-) Disziplinen und für die Etablierung von Termini technici interessant ist. Begriffsgeschichte soll also die Methoden der Wissenschaftsgeschichte nicht verengen, vielmehr ist die Begriffsgeschichte so auszuweiten, dass die Standards heutiger Wissenschaftsgeschichte (Einbeziehung von Praktiken, mikrologische Untersuchungen etc.) gelten.

Was versprechen wir uns von der digitalen Veröffentlichung und vom Wiki-Prinzip?

Nach der eher kontingenten Koppelung von Begriffsgeschichte und alphabetischen Lexika wird für das Projekt eine Veröffentlichung in elektronischer Form angestrebt. Die digitale Publikation als work in progress und in loser, nicht mehr Alphabet gebundener Artikelfolge kann die lange Laufzeit vergangener Wörterbuchprojekte enorm verkürzen. Die als Arbeitsinstrument wie als Basis der Online-Präsentation dienende Datenbank soll es auch erlauben, diachron und synchron vernetztes Wissen mittels innovativer Darstellungsformen zu visualisieren.

hilfsmittel/richtlinien/konzept.1537168155.txt.gz · Zuletzt geändert: 2018/09/17 09:09 von claus